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Active Bass Canceling – ein spannendes neues Konzept zur tieffrequenten Optimierung

Neben den klassischen passiven Bassfallen oder Basstraps, die seit Jahrzehnten mehr oder weniger unverändert in Tonstudios, Privatkinos und ähnlich akustisch anspruchsvollen Räumen eingesetzt werden, kommen in den letzten Jahren zunehmend aktive Lösungen zum Einsatz. Dieser Artikel versucht einen Überblick und stellt eine neue, ausgesprochen spannende Technik zur aktiven Absorption tiefer Frequenzen vor.

Die Optimierung eines Studios oder Heimkinos im Bassbereich ist alles andere als trivial und macht einen großen Teil unserer täglichen Arbeit aus. Das neue Verfahren des Active Bass Canceling (ABC) nehmen wir zum Anlass, einen Überblick über die bisher verwendeten Konzepte zur Optimierung tiefer Frequenzen zu versuchen.

Breitbandige passive Bassfallen

Klassische Bassfallen arbeiten weitgehend nach drei Prinzipien: als poröse Absorber, Plattenschwinger oder Helmholtz-Absorber. Während günstige Absorber-Materialien wie Polyurethan-Schäume im Bassbereich nur wenig Wirkung zeigen, erreichen moderne poröse Bassfallen bei geschickter Kombination unterschiedlicher Materialien auch noch sehr tiefe Frequenzen von 30 Hz oder 25 Hz. Eine wesentliche Eigenschaft dieser Bassfallen ist die Wirkung über ein sehr breites Frequenzspektrum, was in den allermeisten Fällen wünschenswert ist. Allerdings sind die benötigten Materialien nicht immer einfach zu beschaffen und es sind, was wohl als größter Nachteil gelten dürfte, mitunter sehr große Volumina und Gehäusetiefen notwendig, wenn wirklich sehr tiefe Frequenzen erreicht werden sollen. Dies gilt beispielsweise auch für die beliebten DIY-Cornertraps (Superchunks) aus Mineralfaser, die bei entsprechender Dimensionierung in der Regel zufriedenstellend funktionieren, auch wenn je nach verwendeten Materialien und Geometrie große Unterschiede in der Wirkung bestehen können.

Schmalbandige passive Bassfallen

Plattenschwinger und Helmholtz-Absorber wirken demgegenüber deutlich schmalbandiger, insbesondere Absorber nach dem Helmholtz-Prinzip können extrem schmalbandig abgestimmt werden. Das kann von großem Vorteil sein, wenn durch die Bassfalle keine zusätzliche Absorption in einen grundsätzlich funktionierenden Raum eingebracht werden soll, aber in vielen Fällen ist eine breitbandige Bedämpfung des Bassbereichs wünschenswert. Außerdem ist für einen wirksamen Helmholtz-Resonator eine exakte Abstimmung seiner Eigenfrequenz auf die zu bedämpfende Resonanzfrequenz des Raumes absolut kritisch, sodass ohne eine Modalanalyse des Raumes und Abstimmungs-Messungen des Resonators vom Einsatz dieses Typs dringend abgeraten werden sollte. Wir setzen Helmholtz-Absorber immer dann ein, wenn wir den Raum (messtechnisch) gut kennen und schlicht nicht genug Bautiefe für breitbandige Bassfallen zur Verfügung steht. Dies betrifft meist lediglich ein bis drei Frequenzen, bei denen die breitbandigen Bassfallen durch abgestimmte Basstraps nach Helmholtz unterstützt werden.

PSI AVAA

Eine aktive Bassfalle, die bereits seit einigen Jahren auf dem Markt ist und auch von uns gerne verwendet wird, ist der AVAA des Schweizer Herstellers PSI. Dieses System erkennt einlaufende Wellenfronten in Echtzeit und steuert eine Membran dagegen, sodass es zur Auslöschung kommt. Der Clou für den Anwender besteht darin, dass das System wegen der im Vergleich zum passiven Resonator größeren Membranauslenkung einen sehr hohen Wirkungsgrad aufweist. So belegen Messungen des Herstellers eine effektive Absorptionsfläche von bis zu 4 m2, was angesichts der Frontfläche von etwa 0,2 m2 schon als sensationell zu bezeichnen ist. Ansonsten wirkt der AVAA sehr ähnlich wie eine entsprechend größere passive Bassfalle mit all ihren Vor- und Nachteilen. Insbesondere bei Räumen, die bereits eine gute Bedämpfung des Bassbereichs aufweisen und beispielsweise durch Reflexionen an der Front (Speaker Boundary Interference, SBI) Einbrüche im Frequenzgang aufweisen, hilft der AVAA genauso wenig wie klassische passive Bassfallen.

Bass Arrays

Ein insbesondere beim Bau von Heimkinos beliebtes Verfahren zur Optimierung des Bereiches unter 100 Hz ist der Aufbau von sogenannten Bass Arrays. Beim Single Bass Array SBA werden an der Frontwand mehrere, typischerweise vier oder sechs Subwoofer so positioniert, dass sich deren Wellenfronten sowie die an den Seitenwänden, Decke und Boden entstehenden Reflexionen im Raum zu einer annähernd ebenen Welle überlagern. Diese ebene Welle breitet sich von der Frontwand zur Rückwand aus und erzwingt dann in Quer- und Vertikalrichtung annähernd gleiche akustische Verhältnisse. Damit sind Quer- und Vertikalmoden bei einem gut funktionierenden SBA kaum noch vorhanden und großvolumige Bassfallen an den Seitenwänden und der Decke nicht mehr notwendig. Werden nun reziprok zur Frontwand auch an der Rückwand des Raumes Subwoofer aufgestellt, die der eingehenden Wellenfront genau entgegengesetzt schwingen, entsteht theoretisch auch keine Reflexion an der Rückwand mehr. Mit dieser als Double Bass Array (DBA) bezeichneten Anordnung können auch Längsmoden wirksam bedämpft werden.

Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass in realen Räumen in der Regel umfangreiche Anpassungen notwendig sind, um ein Bass Array effektiv zu betreiben; nicht selten scheitert diese großartige Theorie an der Praxis. Häufig wird wegen der völlig anderen Lautsprecheranordnung auch der Bassbereich als „abgelöst“ vom Mitten- und Höhenbereich empfunden, selbst wenn messtechnisch ein sauberer Übergang vorliegt. Es gibt daher weltweit nur wenige Stereo-Räume, in denen diese Technik zum Einsatz kommt, aber in reinen Mehrkanal-Anwendungen mit dezidiertem LFE bietet das Konzept große Vorteile. Viele unserer in der Home Acoustics Group realisierten Heimkinos nutzen ein SBA oder DBA.

Überlagerung der Halbkugelwellen zur ebenen Welle beim SBA

Kompensations-Subwoofer

Aber auch in reinen Stereo-Räumen, in denen ein Bass Array nicht die erste Wahl sein wird, kann der Einsatz von zusätzlichen Subwoofern mitunter raumakustische Probleme lösen. Grundsätzlich ist man ja bei der Aufstellung von Subwoofern viel freier als bei der Aufstellung von Breitband-Lautsprechern, deren Position durch Stereosymmetrie, Abhördreieck und Abhördistanz bereits weitgehend fixiert ist. In vielen Abhörräumen beispielsweise können durch bauliche Einschränkungen wie unverrückbare Türen oder Fenster Quermoden nur ungenügend bedämpft werden. Ohne die Stereosymmetrie zwischen den Seitenwänden aufgeben zu wollen, ist den durch diese Quermoden verursachten Einbrüchen an der Abhörposition weder mit elektronischer Entzerrung noch mit einer veränderten Aufstellung der Lautsprecher zu begegnen. Zusätzliche Subwoofer jedoch, die geschickt im Raum positioniert und sorgsam in Betrag und Phase angepasst werden, bieten hier ein großes Potenzial. Wir sprechen hier gerne von Kompensations-Subwoofern, denn im besten Fall sind diese unhörbar und kompensieren lediglich die durch die Aufstellung der Hauptlautsprecher im unvollkommenen Raum entstandenen Defizite.

Jedoch verlangt diese Technik einen hohen Aufwand bei der Inbetriebnahme durch Auswahl, Positionierung und elektronische Anpassung der Kompensations-Subwoofer, was viel messtechnische Erfahrung und ausgiebige Hörtests voraussetzt. Verglichen mit echten Baumaßnahmen ist dieser Aufwand jedoch gering, und auch der Platzbedarf von passiven Bassfallen übersteigt den von Kompensations-Subwoofern um ein Vielfaches. Dieses effiziente Konzept ist darüber hinaus einfach an neue Lautsprecher oder Räume anpassbar und wird von uns gerne zur Optimierung von Tonregie- und Hi-Fi–Räumen eingesetzt.

Radio NRW | Linearisierung des Frequenzgangs durch Kompensations-Subwoofer (nicht geglättet)

Radio NRW | Linearisierung des Frequenzgangs durch Kompensations-Subwoofer (nicht geglättet!)

Active Bass Canceling

Ein ganz neues Konzept namens Active Bass Canceling (ABC) kommt jetzt von den Schweizer Kollegen von Rocket Science. Auch bei diesem Verfahren kommen ein oder mehrere Kompensations-Subwoofer zum Einsatz, aber das Vorgehen ist ein völlig anderes. Die Idee stammt aus dem Noise Canceling, also der Reduktion von Lärm durch Gegenschall. Rocket Science setzt diese Technik unter anderem bei Großveranstaltungen ein, wo zwischen der PA und dem benachbarten Wohngebiet ein Subwoofer-Cluster aufgebaut wird. Der von diesem Cluster erzeugte Schall und der Direktschall der PA überlagern sich dann im Wohngebiet so, dass der resultierende Schalldruck minimal wird. Beim Active Bass Canceling-Verfahren wird diese Grundidee auf Abhörräume übertragen. Ein (oder mehrere) Subwoofer erhalten eine von einem DSP so bearbeitete Kopie des Signals der Hauptlautsprecher, dass an einem bestimmten Bezugspunkt im Raum die Überlagerung beider Signale minimal wird. Dieser Bezugspunkt sollte nicht die Abhörposition sein, sondern ein typischer Einsatzort einer Bassfalle, also beispielsweise die Mitte der Rückwand. Wenn hier im Bassbereich der Schall minimal wird, entspricht das genau der Wirkung einer Bassfalle.

Der Clou bei diesem System – und damit die eigentliche Leistung der Schweizer Kollegen – ist der adaptive Algorithmus, der die Parameter des DSP ermittelt. Wenn H(ω) die Übertragungsfunktion der Hauptlautsprecher zum Bezugspunkt in Betrag und Phase sei und S(ω) die Übertragungsfunktion des Subwoofers zum Bezugspunkt, dann soll für die Übertragungsfunktion des DSP D(ω) gelten: D(ω)S(ω) + H(ω) = 0. S(ω) und H(ω) werden während der Inbetriebnahme gemessen, D(ω) ermittelt das System dann selbstständig nach einem adaptiven Verfahren. Nach Abschluss der Installation bleibt D(ω) stationär, die DSP-Parameter ändern sich also nicht automatisch, wenn beispielsweise jemand auf dem Sofa vor der Frontwand Platz nimmt. In S(ω) und H(ω) sind alle Einflussfaktoren der Lautsprecher, der Einbausituation und des Raumes wie Beugungen, Streuungen, Eigenmoden, SBI usw. bereits enthalten. Daher müssen diese Effekte nicht notwendigerweise einzeln bekannt und quantifiziert sein. Allerdings birgt dies natürlich das Risiko, dass beispielsweise bei einer ungeschickten Positionierung der Kompensations-Subwoofer oder des Bezugspunkts das System aufwändig Abweichungen kompensiert, die bei einer geschickteren Positionierung vermieden worden wären. Daher werden auch mit dem ABC-Konzept die besten Ergebnisse erreicht, wenn die Raumakustik verstanden wurde und das System möglichst sinnvoll und effektiv eingesetzt wird.

Dieses neue Verfahren befindet sich aktuell noch im Beta-Stadium, ist von uns jedoch bereits sehr erfolgreich im Studio eingesetzt worden. Die Vorteile liegen ähnlich wie bei den klassischen Kompensations-Subwoofern im geringen Platzbedarf und der hohen Flexibilität. Durch das adaptive Verfahren ist die Inbetriebnahme zwar bislang noch nicht schneller, aber gerade in schwierigen Situationen einfacher und weniger fehleranfällig. Wir haben das Active Bass Canceling als sehr effektiv erlebt, sind von dem Konzept überzeugt und werden dieses auch in weiteren Projekten einsetzen.

Mit den neuen, aktiven Verfahren hat sich der „Werkzeugkasten“ des Akustikers um einige spannende neue Tools erweitert. Keines der Konzepte ersetzt ein anderes identisch, je nach Raum, Budget, Lautsprecher, Nutzungszeitraum, Anspruch usw. wird der Planer die jeweils geeigneten Verfahren auswählen. Fast immer sinnvoll – allein schon zur Reduktion des Low Frequency Decays – ist eine grundsätzliche Bedämpfung des Bassbereichs durch klassische Bassfallen, die dann bei Bedarf durch andere Elemente ergänzt wird.

Weitere Informationen

Das Active Bass Canceling Verfahren wird entwickelt von der Firma Rocket Science aus Zürich und in Deutschland implementiert von mbakustik
www.rocket-science.ch

Für den Gitarristen Richard Kruspe (Rammstein) haben wir 2019 das erste ABC-System in einem deutschen Tonstudio in Betrieb genommen:

Richard Kruspe (Rammstein) beim Hörtest während der Inbetriebnahme

Breitbandige passive Bassfallen:

B500/B600
TrapCore

Schmalbandige passive Bassfallen:

B500/600

Aktive Bassfalle:

PSI AVAA
AVAA Praxisbericht

Projekt mit Bass Array:

Rückwand mit Diffractal und Flutterfree Diffusoren

Projekt mit Kompensations-Subwoofer:

Radio NRW | Regie-Frontwand (Acoustic Design System)

 

 

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